1856–heute: Fischerdorf und Künstlerkolonie

Alte Filmaufnahmen von Christiansø 1917

„OTC – Old Time Christiansø“

Durch die Aufgabe der Festung entstand eine Welle der Arbeitslosigkeit auf Christiansø, und die Regierung befürchtete, die Insel könnte sich zu einer „Armenkolonie“ entwickeln. Die vielen arbeitslosen Familien wurden daher aufgefordert, von den Inseln wegzuziehen. Als die Regierung jedoch ein paar Jahre später feststellte, dass die Inselbewohner sich mit der Fischerei selbst versorgen konnten, durften viele Familien zurückkehren. In der Folge wurde der Fischfang zur Haupterwerbsquelle auf Christiansø.

Im 20. Jahrhundert machten Fischer den Kern der Gemeinde auf Christiansø aus. Doch auch Künstler siedelten sich an. Während des Zweiten Weltkriegs diente die Insel dänischen Widerstandskämpfern als Versorgungslinie.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckten die ersten Maler Christiansø. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Inseln eher zufällig von verschiedenen Marinekünstlern besucht worden, unter ihnen der Maler und Dichter Holger Drachmann.

Unter jenen, die jetzt die Insel einnahmen, befanden sich Künstler der Malschule von Kristian Zahrtmann. Auf Christiansø fanden sie eine südländisch anmutende Stimmung aus Licht, Felsklippen und blauem Meer vor. Aber auch die alten Festungsanlagen mit ihren grauen Oberflächen und schnurgeraden Linien wurden zum beliebten Motiv. Es war der junge Aksel Salto, der die Künstler auf die malerischen Qualitäten der Inseln aufmerksam machte. Er hatte einige Sommer bei seinem alten Verwandten Kapitän With verbracht, dem damaligen Verwalter der Inseln.

Im Lauf der nächsten Jahrzehnte wurden die Inseln von den Schweden Karl Isacson und Oscar Hullgren sowie von zahlreichen dänischen Malern besucht. Einige kamen für kurze Zeit, andere verbrachten hier einen Sommer nach dem anderen: Unter ihnen waren Kamma Salto, Vilhelm Lundstrøm, Harald Giersing, Mogens Lorentzen, Sigurd Svane und Edward Weie, um nur einige zu nennen. Später folgten weitere Maler, die sich kürzer oder länger auf den Inseln aufhielten, darunter Oluf Høst, Olaf Rude, Sven Havsten Mikkelsen und Karl Locher sowie Henning Køie, Oscar Lemvig, Karl Larsen und Gitz-Johansen. 

Einige ließen sich hier nieder, andere kamen als feste Sommergäste und bewohnten Zelte oder feste Ferienwohnungen. Heute kann man die Werke der „Christiansø-Maler“ am besten in Bornholms Kunstmuseum und im Staatlichen Kunstmuseum in Kopenhagen betrachten.

Im Jahr 1922 wurden die Gebäude von Christiansø unter Denkmalschutz gestellt. Später wurden auch die Tiere und Pflanzen der Inseln unter Naturschutz gestellt.

Während des Zweiten Weltkriegs waren von 1940–45 auf Christiansø zwei deutsche Soldaten stationiert. In dieser Zeit beteiligten sich mehrere Fischer von der Insel an der Rettung von Juden über Meers nach Schweden und schmuggelten Waffen für den dänischen Widerstand – was die beiden deutschen Besatzungssoldaten jedoch nie bemerkten.

2013 verließ der letzte hauptberufliche Fischer Christiansø – die Künstler kommen weiterhin auf die Inseln.


Künstlerkolonie auf Christiansø

Genau wie Skagen war Christiansø zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein Ort, an den die Künstler aus ganz Dänemark strömten, um zu malen. Schnell entwickelte sich hier eine Künstlerkolonie aus Malern, von denen einige jedes Jahr wiederkamen, während andere nur eine einzige Saison auf der Insel verbrachten. Die Künstler jener Zeit waren zwar oft arm, aber sie waren einfühlsame Gemüter, die für ihre heißgeliebte Kunst große Opfer brachten.

Im Jahr 1911 erlebte Christiansø eine förmliche Künstlerinvasion, als Andreas Friis, Harald Giersing, Mogens Lorentzen, Axel Salto und Kamma Thorn mit dem Boot hier ankamen. Sie mieteten sich für kleines Geld im Müllerhaus, im Lazarett und im Gefängnis ein. Sie alle waren lebenslustige junge Menschen, die auf der kleinen Insel ihre Späße machten und Aufsehen erregten. Der Kontrast zu den gegerbten Inselfischern hätte größer nicht sein können.

Im Sommer 1912 wurde es dem Verwalter der Insel jedoch zu bunt. Die jungen Künstler, die ihr sauer verdientes Geld lieber für Ölfarben als für neue Kleidung ausgaben, liefen nämlich in ziemlich schriller Garderobe auf der Insel herum: den abgelegten Karnevalskostümen der Inselbewohner. Das Problem war, dass genau in diesem Jahr König Christian X. auf der Insel erwartet wurde. Da sahen die Menschen im Karnevalskostüm nicht besonders gut aus, meinte der Verwalter. Deshalb bat er die heruntergekommenen Bohemiens, sich während des königlichen Besuchs nicht im Freien aufzuhalten. Die Künstler taten, wie ihnen vom Verwalter geheißen wurde, doch als lustige kleine Rache fertigten sie eine Büste des Monarchiegegners Dr. Dampe an, in dessen Zelle sie derweil „eingesperrt“ waren.

Christiansø wird auch heute von zahlreichen Künstlern besucht, und besonders im Sommer stößt man ab und zu auf Maler und Malerinnen mit ihren Staffeleien, die sich bemühen, das einzigartige Licht und die speziellen Farben der Ertholmene einzufangen.